Stefans Geschichten vom Meer: Verliebt in eine alte Großherzogin
In Stefans Geschichte vom Meer dreht sich in einer neuen Folge alles um eine alte Großherzogin. Es geht um einen wundervollen Sommertag auf der Ostsee und die Hanse Sail in Rostock-Warnemünde, das schönste Klassentreffen für alte Schiffe.
Das Gefühl für pure Seefahrt, ganz so, wie sie früher einmal war, setzt eine Stunde nach der Hafenausfahrt von Rostock ein. Kapitän Christian Meyer hat den Diesel abgeschaltet und einige Segel setzen lassen. Nun gleitet der Dreimast-Gaffelschoner „Großherzogin Elisabeth“, liebevoll „Lissi“ genannt, mit der Kraft einer leichten Brise über die Ostsee.
Die anderen Passagiere sind unter Deck, in der gemütlichen Messe, in der ein Smut Chili austeilt, und es ist still an Deck. Nur leises Wellenklatschen ist zu hören und sämtliche Probleme sind hinter dem Horizont verschwunden. Kein Handyempfang.
Großherzogin Elisabeth: 63 Meter maritime Geschichte
Es ist eine so wunderbare Auszeit während der Hanse Sail, dem weltgrößten Klassentreffen der Traditionsschiffe. Mehr als 150 Schiffe sind nach Rostock-Warnemünde gekommen, knapp 120 bringen eine stolze Historie mit. Sie nahmen 13.000 Tagesgäste mit hinaus auf die Ostsee, im Prinzip eine kleine Stadt.
Die „Lissi“, Baujahr 1909, das sind 63 Meter maritime Geschichte, die in den Niederlanden vom Stapel liefen. Im Winter 1929 kenterte das Schiff mit einer Ladung Holz vor Kopenhagen. Während des Krieges wollte der damalige Reeder mit dem Schiff vor den Nazis abhauen, doch ein französisches Kriegsschiff zwang ihn in einen britischen Hafen. In den 1980er rettete ein Unternehmer aus Elsfleth die „Lissi“ vor dem Hochofen.
Ehrenamtler erhalten den Schatz unter Segeln
Seither kümmert sich ein Förderverein um ihren Erhalt, wie in so vielen anderen Fällen in Deutschland. Ohne diese Ehrenamtler würde maritimes Erbe verfallen wie der Leuchtturm von Bremerhaven. Menschen mit einem maritimen Herz, denen eine in Teilen abgehobene Bundespolitik und pedantische Behörden den Einsatz immer schwerer machen.
Auf der Brücke der „Lissi“ haben an diesem Nachmittag Kapitän Meyer, im Beruf nautischer Leiter einer Reederei und Steuermann Christian Landt, ein Unternehmensberater, das Sagen. Und eine junge Frau, Lara Otten, Jahrgang 1998, die hauptberuflich Tanker fährt und gerade ihr Patent erhalten hat. Auch in ihrer Freizeit zieht es sie auf See, mit dem Wunsch, maritimes Erbe wie die „Lissi“ zu erhalten. (Wer mehr über das alte Schiff erfahren möchte, klickt HIER). Dafür nehmen die Freiwilligen auch Stressmomente in Kauf.
Stressmoment bei Hafeneinfahrt
Auf dem Rückweg in den Hafen wird es eng in der Einfahrt und eine alte Dame wie die „Lissi“ ist kein Schnellboot. Als ein sturer Privatskipper von Steuerbord kreuzt, halten auf der Brücke alle kurz den Atem an.
Mir fällt irgendwie schwer, über die Gangway von Bord zu gehen, als die „Lissi“ auf Höhe der Werft von Warnemünde festliegt. Schade, dass wir schon zurück sind. Wie schön wäre es, einfach weiter zu segeln? Nach Stockholm oder Helsinki oder einfach gleich an die hinterste Kante der Welt.
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