Stefans Geschichten vom Meer: Warum lässt man Roter Sand vergammeln?
Roter Sand ist mehr als ein Seezeichen. Ein Denkmal, ein Symbol für den Norden – und inzwischen ein Problemfall. In Stefans Geschichte vom Meer geht es auch um die Frage, wie wir in Deutschland mit maritimen Erbe umgehen.
Wenn Kinder einen Leuchtturm malen, dann kommt Roter Sand dabei raus: rot-weiß gestreifter Schaft, Laternenhäuschen, Kupferkuppel. Der Turm in der Außenweser ist mehr als ein Seezeichen. Er war das erste deutsche Bauwerk, das auf dem Meeresgrund errichtet wurde.
Bis 1964 lebte ein Wächter auf Position 53° 51′ 11,4″ Nord und 8° 4′ 55,8″ Ost. Historische Bilder zeigen, welches Abenteuer es war, wenn die Ablösung mit dem Boot kam. Für Millionen Auswanderer, die in ein neues Leben aufbrachen, war der Leuchtturm das Letzte, was sie von ihrer Heimat sahen.
Als Roter Sand 1986 außer Dienst gestellt wurde, nach mehr als 100 Jahren Feuer für Kapitäne und Steuerleute, reagierte das Bundesverkehrsministerium dennoch maximal unsentimental. Wird nicht gebraucht? Wird abgerissen! Zum Glück fanden sich Streiter für den Turm – er wurde aufgrund der privaten Initiative von Bürgern erhalten.
Roter Sand ist in schlechtem Zustand
Doch nun gibt es erneut große Sorgen um Roter Sand. Der Turm ist in schlechtem Zustand. Es regnet rein, gammelt und schimmelt. Im April 2021 wurden drei Varianten vorgestellt, was passieren könnte: 1. Sanierung vor Ort. 2. Versatz in der Nähe. 3. Neuaufbau an Land. Gutachten wurden in Auftrag gegeben. Doch seither passierte: nichts, und es drängt sich der Eindruck auf, dass manchem Variante 4 am liebsten wäre: Gutachten schubsen, bis Roter Sand nicht mehr zu retten ist.
Eigentümer von Roter Sand ist der Bund, Besitzer die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, doch um den Turm kümmert sich vor allem ein Förderverein mit Sitz in Bremerhaven. Dessen Vorsitzender schlug nun Alarm, was bei der Deutsche Stiftung Denkmalschutz nicht gut ankam. Deren Sprecher beklagte sich in der Nordsee-Zeitung über „gefühlsbetonte Aufregung und medialen Druck.“
Was damit zu tun haben könnte, dass man besonders in Bremerhaven die Vernachlässigung maritimen Erbes perfektioniert hat. Erst sank das Wahrzeichen „Seute Deern“, dann kippte ein Leuchtturm beinahe ins Hafenbecken (zum Behörden Bullsxxx Bingo HIER). Schließlich gab eine historische Drehbrücke im Kaiserhafen den Geist auf.
Grundsätzlich stellt sich die Frage: Wie gehen wir in Deutschland mit unserem maritimen Erbe um? Einige der schönsten Denkmäler – von der „Peking“ bis zur „Cap San Diego“ oder „Schulschiff Deutschland“ in Bremerhaven gibt es nur deshalb, weil Ehrenamtler dafür kämpften. Die aber werden älter, geben auf und fühlen sich alleine gelassen. Probleme gibt es überall an der Küste, von Emden bis Stralsund (Gorch Fock).
In Hamburg arbeitet die „Stiftung Hamburg maritim“ als eine Art lokaler Dachverband für Traditionsschiffe. Vielleicht braucht es eine „Stiftung Deutschland maritim“? Eine Organisation aus Profis, die sich um die Denkmäler des Nordens und der Küste kümmert.
Bevor es zu spät ist.
Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründeten Ankerherz Verlag. Vorher war er Polizeireporter für die Chicago Tribune und arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie max, Stern und GQ von Uganda bis Grönland. Gerade erschien sein neues Buch: „Muss das Boot abkönnen“.
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