Stefans Kolumne: Ein Kapitän, der mitten im Sturm von Bord geht
Ist es richtig, wenn ein Kapitän mitten im Sturm von Bord geht? Genau am Tag der Wiederwahl Donald Trump, also einem Tag der maximalen Unsicherheit, schaltet Bundeskanzler die Ampelkoalition ab. Und wie.
Meine neue Kolumne sollte von Kamala Harris handeln und von Kapitäninnen, die in der Seefahrt zwar noch selten, aber nicht mehr unmöglich sind. Ich war sicher, dass Harris die Demokratin die Wahl in den USA gewinnt. Selten lag ich so daneben.
Als Polizeireporter der Nachtschicht schrieb ich für die „Chicago Tribune“ und war auch in den Jahren danach häufig auf Reportagen im Land unterwegs, von Pismo Beach in Kalifornien über die Wälder Idahos bis in eine Salzmine von Texas. Ich dachte, ich kenne das Land und die Mentalität der Leute und mochte auch all ihre Widersprüche. Denn so ist doch das Leben.
Mitten im Sturm geht der Kapitän
Es war für mich daher unvorstellbar, dass ein verurteilter Sexualstraftäter, der einen bewaffneten und tödlichen Aufstand gegen das Haus der Demokratie angezettelt hatte, eine Mehrheit finden kann. Ewige Skandale, Schmiergeld an einen Porno-Star, Korruption, Chaos, endloser Streit, hunderttausende Corona-Tote, Diktatorenkuscheln.
Zu sehr widersprach dies alles dem Selbstverständnis der USA, wie ich sie kannte. Tja. Wie naiv von mir. Wir sind nicht mehr nur im postfaktischen, sondern im posthumanitären Zeitalter angekommen.
Eine Gesellschaft funktioniert wie ein Schiff. Auf der Brücke der Kapitän mit seinen Offizieren, in einigen Ländern ausgewählt, in anderen nicht. Es gibt einige Passagiere, die Erste Klasse reisen, und andere, die nicht wissen, wie sie die Passage bezahlen sollen. Es gibt Seekranke, die man davon abhalten muss, Blödsinn zu machen. Und es gibt eine Menge frustrierter Malocher im Maschinenraum.
Die See ist momentan stürmisch und auch die Aussichten sind auch nicht besser. Auf unserem Schiff, der „MS Deutschland“, hat der Kapitän seinen Zweiten Offizier spektakulär Kiel holen lassen und dann selbst den Dienst quittiert. Der Moment dieser Entscheidung könnte kaum fragwürdiger sein. In der Welt der Seefahrt würde man das komplette Brückenpersonal wegen Verantwortungslosigkeit absetzen und auf andere Jobs verteilen.
In den USA haben sie einen „Kapitän“ gewählt, der alle Eigenschaften vereint, die ein Kapitän nicht mitbringen sollte. Trump ist impulsiv und eitel. Jemand, der gerne in Ausgehuniform posiert und sich aufplustert. Ein Typ wie Mario Schettino, der Anti-Kapitän, der das Kreuzfahrtschiff „Costa Concordia“ auf einen Felsen setzte, weil er einer Mätresse auf der Brücke und einem Freund auf der Insel Giglio imponieren wollte.
Trump bringt die Charaktereigenschaften des Kapitäns der „Bounty“ mit und nach einem halben Dutzend Insolvenzen die Kompetenz von Kapitän Silbereisen auf dem „Traumschiff“. Mit ihm auf der Brücke sind die USA nun in den nächsten vier Jahren unterwegs. Na dann: Farewell!
Aber wir?
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