Untersuchungsbericht zur Havarie der MSC Zoe liegt vor

Wieso verlor der Frachter MSC Zoe im Januar 2019 in einem Sturm 342 Container in der Nordsee? Unter den Folgen der Havarie leiden die Menschen auf den Inseln noch heute. Die Umweltverschmutzung ist enorm. Nun hat die Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung (BSU) ihren Abschlussbericht vorgestellt. Ein Bericht, der neue Fragen aufwirft.

Der Bericht der Behörde, der anderthalb Jahre nach dem Unglück erscheint, ist 108 Seiten lang. Minutiös rekonstruieren die „See-Ermittler“, was in der Nacht auf den 2. Januar 2019 an Bord der MSC Zoe geschah. Untersuchungsteams des BSU, des Dutch Safety Board und der Panama Maritime Authority als Flaggenstaat des Schiffes waren im Einsatz.

Die MSC Zoe hatte am Sonntag, 30. Dezember, mit 8062 Containern an Bord (entspricht 13.465 TEU) Sines in Portugal verlassen, Kurs Bremerhaven. Bei ruhiger Fahrt lief das Schiff durch den Ärmelkanal, doch dann frischte der Wind immer weiter auf. Der Kapitän, ein erfahrener Seemann, 64 Jahre alt, ließ dem Logbuch zufolge die Laschausrüstung der Container, Gefahrstoffcontainer, Laderaum und Bilgen überprüfen.

MSC Zoe rollte stark

Was dann geschah, steht im Bericht der BSU: Laut Aussagen der Besatzung begann die MSC ZOE am Abend des 1. Januar 2019 um 23:00 Uhr plötzlich für einen Zeitraum von etwa 30 Sekunden heftig zu rollen, was sich wie Rollwinkel von 20 bis 30° anfühlte. Diese Bewegungen waren so heftig, dass die Geräte im Fitnessbereich verrutschten und auf der Brücke verschiedene Gegenstände, darunter der Drucker, durch die Luft flogen.“

Um 1 Uhr bemerkte der Kapitän beim Blick aus dem Brückenfenster, dass Container fehlten. Er ließ den Ersten Offizier wecken, der auf dem Hauptdeck feststellte, dass einige Container über die Bordkante ragten. Um 1:30 Uhr rollte die MSC Zoe erneut stark in der See. Auf Bay 26 stürzte ein Containerstapel zusammen und ging über Bord. Der Kapitän änderte den Kurs und reduzierte die Geschwindigkeiten auf zwei Knoten, um die Bewegung des Schiffes zu stabilisieren. Auch auf Bay 10 und Bay 58 waren Container zusammengestürzt. Auch Gefahrgutcontainer gingen über Bord.

MSC Zoe hat ernorme Stabilität

Die Wetterbedingungen zu diesem Zeitpunkt: Beaufort zehn, Wellenhöhe 6.5 Meter. „Die Wellenkräfte, die da wirkten, haben dazu geführt, dass das Schiff ins Rollen geraten ist“, sagte Ulf Kaspera, Direktor der Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung, im Interview mit dem NDR.

Das Problem: Gewaltige Schiffe wie die MSC Zoe, mit 400 Metern einer der größten Containerfrachter der Welt, haben eine enorme Stabilität. Bei einer starken Rollbewegung wirkt sich dies negativ auf die Ladung aus, denn das Schiff richtet sich sehr schnell wieder auf. „Auf die Ladung wirken unheimliche Beschleunigungskräfte“, erklärte Kaspera.

 

Diese Kräfte waren in der Januarnacht auf der Nordsee so stark, dass die Stahlverstrebungen nicht gehalten haben. Twistlocks und Wantenspanner hielten nicht stand. Entgegen mancher Gerüchte entlang der Küste entsprach die Ladungssicherung an Bord der MSC Zoe den gesetzlichen Vorgaben. Eine Grundberührung, wie auch spekuliert wurde, ist nicht Grund der Havarie gewesen.

Was im Klartext bedeutet: Kapitän und Crew haben laut Untersuchungsbericht alles richtig gemacht. Das Problem ist die Größe des Schiffes selbst; Containerschiffe wie die MSC Zoe überschreiten die Gültigkeitsbereiche der aktuell geltenden Vorschriften und Standards, wenn es darum geht, Beschleunigungskräfte zu berechnen.

Eine solche Havarie kann sich bei schlechtem Wetter auf der Nordsee also jederzeit wiederholen. Das Unglück ereignete sich in einem Wintersturm, nicht in einem ausgewachsenen Orkan. „Nach unseren Erkenntnissen, die wir international gewinnen konnten, nimmt diese Gefahr zu“, sagte Kaspera. Ob die riesigen Schiffe in flachem oder tiefem Wasser unterwegs sind, spielt keine Rolle, steht im Abschlussbericht. Die Experten kritisieren auch, das die Software, mit der die Ladung berechnet wird, intransparent sei.

Warnung vor Wattenmeerküste

Das Einzige, was die Situation verändern kann, sind Verbesserungen bei der Schiffstechnik. Stärkere Laschings, stabilere Systeme, bessere Berechnungen. Diese Regelungen aber werden auf internationaler Ebene getroffen.

Niederländische Behörden warnen indes vor Gefahren für Großschiffe in der Nähe der Wattenmeerküste. Der Untersuchungsrat für Sicherheitsfragen in Den Haag warnt vor dem Risiko von Grundberührungen. Kapitäne sehr großer Schiffe wie die MSC Zoe sollten bei schlechtem Wetter eine andere Route wählen.

Der Bericht des BSU wird die Menschen auf den Inseln und entlang der Küste nicht beruhigen – eher im Gegenteil.

 

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