Eine Herzensangelegenheit von Kapitän Schwandt
„Ich musste kommen“, sagte Kapitän Schwandt. „Es war mir ein großes Anliegen.“
Große Freiheit, St. Pauli: Zum ersten Mal seit mehr als einem Jahr besuchte der alte Seemann gestern Abend eine Veranstaltung. Zum Book Release von „Unter Palmen aus Stahl“, der Geschichte des jungen, ehemaligen Obdachlosen Dominik Bloh, kam er in den Klub „Grünspan“. Seit einiger Zeit verfolgt Schwandt, wie sich Bloh (29) von den Straßen Hamburgs zurück ins Leben kämpft. Die beiden Ankerherz-Autoren hatten sich bei einer Lesung in der Haifisch Bar kennen gelernt.
Erste Frage an ihn auf der Bühne: „Kapitän, wie geht es Ihnen?“
„Altersgerecht. Ich will nicht klagen.“
Was eine Untertreibung ist, denn den Seemann, 81, plagt neben den Krankheiten, die ihn im Herbst 2016 zu einem Rückzug aus der Öffentlichkeit zwangen, seit kurzem auch noch das „Chronische Erschöpfungssyndrom“ (CES). Das ist so unangenehm, wie es klingt. Es raubt einem Menschen jede Kraft und Energie. „Ich brauche morgens drei Tassen starken Tee und fünf Zigaretten, um in die Gänge zu kommen“, versucht Schwandt, selbst diesen Zustand herunter zu spielen.
Das „Grünspan“ ist ausverkauft
Der Abend im mit knapp dreihundert Besuchern ausverkauften „Grünspan“, organisiert von Verein „Clubkinder“, wird niemand so schnell vergessen. Dominik las aus „Unter Palmen aus Stahl“. Eine intensive, ehrliche, harte Geschichte über das Leben auf der Straße, in Teilen eine Lebensbeichte. Am Ende gab es stehenden Beifall.
Schwandt appellierte im Gespräch daran, sich mehr für Menschen am Rande der Gesellschaft einzusetzen. Seit vielen Jahren engagiert er sich für die Obdachlosenhilfe, die auch immer wieder Thema in den Kolumnen seines Buches „Klare Kante“ ist. „Schauen wir nicht weg“, rief Schwandt.
Als der Abend vorbei war, schlenderte der Seemann – natürlich rauchend – über die „Große Freiheit“, vorbei an den bunten Lichtern, der Musik, den Koberern und Trunkenen. Das letzte, melancholische Bild eines unvergesslichen Abends.
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