Stefans Geschichten vom Meer: Was ist nur in Bremerhaven los?
Was ist nur in Bremerhaven los? In Stefans neuer Geschichte vom Meer geht es um das Feuerwerk von Skandalen und Verfehlungen am Deutschen Schiffahrtsmuseum (DSM). Mehr aber noch um die Frage: Welcher Filz macht es möglich, dass es unter den Augen der Öffentlichkeit seit Jahren so läuft?
„Wandel“ steht seit einigen Monaten in großen Buchstaben in den Scheiben des Deutsche Schifffahrtsmuseums (DSM) in Bremerhaven. Was signalisieren soll, dass sich das Museum, einziges maritimes Haus nationalen Anspruchs, im Umbruch befindet. Vielleicht sollte man den Begriff austauschen. Gegen „Problemzone“, „Desaster“ oder gleich das Kürzel: „WTF“.
Was die aufmerksamen Kollegen der „Nordsee-Zeitung“ nicht nur in diesen Tagen berichten, lässt Außenstehende fassungslos zurück. Nach einem internen Bericht fehlen hunderttausende Euro für 2022, es gibt strukturelle Defizite an allen Ecken, aber dies sind alles Problemchen, verglichen mit der allgemeinen Lage.
DSM Bremerhaven: ein sinkendes Schiff
Das Museum läuft seit Monaten in einer Art Notbetrieb. Zwei unter Denkmalschutz stehende Gebäudeteile sind entkernt, die Exponate lagern in einem neuen, teuren Depot – unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Etwa 40 bis 50 Millionen € fehlen, um die Arbeiten zu Ende zu bringen. Woher das Geld kommen soll? Das weiß niemand.
Derweil vergammelt vor der Tür eine Flotte historischer Schiffe im Hafenbecken. Das einstige Wahrzeichen der Stadt, die „Seute Deern“ ließ man bereits erfolgreich verrotten. Als der Dreimaster auf Grund sank, wurde für eine Millionensumme entsorgt.
Die Kapitänin geht von Bord
Einen geplanten Nachbau namens „Najade“, schlappe 46 Millionen € teuer, stoppte inzwischen der Bundesrechnungshof. Ach ja: In zwei Jahren steht eine Prüfung an, ob das DSM seine Ziele erreicht hat und Teil der Leibniz-Gemeinschaft bleiben kann, die 85% des Etats trägt.
Nun die Pointe: Inmitten dieses Feuerwerks aus Skandalen tritt Sunhild Kleingärtner, die Direktorin, ein mehrmonatiges Forschungsstipendium in den USA an. Der Gedanke, sich angesichts des epischen Schlamassels nach Kalifornien abzusetzen, liegt schon nahe. Warum die Forschungsreise allerdings vom Stiftungsrat des Museums mehrheitlich genehmigt wurde? Während ich die Kolumne schreibe, kommt übrigens die Meldung, dass die Direktorin ihren Job gekündigt hat.
Der Filz der Seestadt
Eine „Kapitänin, die das sinkende Schiff verlässt“ (Nordsee-Zeitung) trägt Verantwortung, das ist klar. Wie aber sieht es mit Politikern und Behördenvertretern und Experten aus, die in den Kontrollgremien aufpassen sollen? Jeder Spaziergänger kann sehen, wie die Museumsflotte seit Jahren vergammelt. Jeder weiß, dass das Museum ohne Perspektive geschlossen ist.
Die tieferliegende Frage also lautet: Wie tief muss Filz in Bremerhaven sitzen, (seit 1947 mit kurzem Intermezzo von der SPD regiert), dass all dies ungeniert möglich ist? Der Begriff Wandel, der in großen Buchstaben in den Scheiben des DSM steht, erscheint doch richtig. Er meint aber die ganze Stadt. Die Menschen in Bremerhaven verdienen Besseres.
Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet den Ankerherz Verlag. Vorher war er Polizeireporter für die Chicago Tribune und arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie max, Stern und GQ von Uganda bis Grönland. Zuletzt erschien sein Buch „Helden der See“.
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