Stefans Geschichten vom Meer: Ukrainekrieg bedroht Fish and Chips
In Stefans Geschichten vom Meer geht es um Fish and Chips, das britische Nationalgericht. Es ist bedroht – wegen des Ukrainekriegs. Klingt verrückt? Ist aber so!
Wir leben in einer komplexen Welt, in der die Dinge eng miteinander verwoben sind. Auf manche Weise, die einem vor den Krisen der letzten Monate gar nicht bewusst war. Schließt ein Containerterminal im Hafen von Shanghai wegen Corona, gibt das Stress bis auf die Kais von Hamburg. Greift ein russischer Faschist sein Nachbarland an, heizt das bei uns die Inflation an und greift in jeden Winkel des Alltags ein.
Putins Imperialismus bringt sogar Fish and Chips Buden in Großbritannien in höchste Not. Klingt komisch?
Ein Sprecher eines Verbandes mit dem schönen Namen National Federation of Fish Friers (NFFF) sagte dies unter der Woche der Nachrichtenagentur dpa. Die Organisation existiert seit 1913 und vertritt die Interessen von mehr als 10.500 Fish and Chips Shops von Lerwick auf Shetland bis Land´s End in Cornwall.
Fish and Chips – gibt es was Besseres?
Ich liebe Fish and Chips, am besten in Zeitungspapier eingewickelt. Klassisch britisch mit einem Schuss Essig obendrauf und einer Prise Salz, was auf einer Mauer im Hafen von Hastings oder Eastbourne oder Sheringham einfach göttlich schmeckt. Doch mit der Vielfalt der kleinen Buden könnte es bald vorbei sein.
Viele Geschäftsinhaber stehen vor dem finanziellen Aus. Niemand verdiene aktuell auch nur einen Penny, klagte der Sprecher des NFFF. Denn sämtliche vier Zutaten des britischen Nationalgerichts sind teurer geworden.
Das Sonnenblumenöl, das hauptsächlich aus der Ukraine stammte. Das Mehl, das ebenfalls zu großen Teilen aus der Ukraine eingeführt wurde. Weil die Preise für russischen Dünger steigen, erwartet man einen sprunghaften Anstieg des Kartoffelpreises.
Alles wird teurer
Bei der vierten Zutat stutzte ich: beim Thema Fisch. Knapp 40 Prozent der Fische, die in britischen Fritteusen die letzte Runde drehen, wurden bislang von russischen Trawlern gefangen. Entsprechend verteuern sich nun auch Kabeljau und Schellfisch. Please, what?
Eine Seefahrernation wie Großbritannien, deren Fischern es so schlecht geht, bezog jeden vierten Fisch des Nationalgerichts aus Russland. Dabei war die miese Lage, vor allem in den kleinen Küstenorten, ein wichtiges, weil emotionales Argument in den Diskussionen um den Brexit.
Probleme in einer Fish and Chips Tüte
Es ist absurd. Während russische Desinformationskampagnen die Brexit-Abstimmung beeinflussten, wurde Wut britischer Fischer ein Thema, deren Fänge in Wahrheit in solcher Konkurrenz zu billigem russischem Fisch stehen. Pointe: Studien besagen, dass Großbritanniens Fischer durch den Brexit in den kommenden Jahren mehr als 300 Millionen Pfund verlieren werden. Grund sind niedrigere Fangquoten und höhere EU-Zölle.
Die Probleme der Welt passen manchmal in eine Tüte Fish and Chips.
Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet den Ankerherz Verlag. Vorher war er Polizeireporter für die Chicago Tribune und arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie max, Stern und GQ von Uganda bis Grönland. Zuletzt erschien das Buch „Überleben im Sturm“ über die Retter der RNLI.
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