Traditionsschiffe: Warum pflegen wir nicht, was wir lieben?
Traditionsschiffe locken bei Hafenfesten Zehntausende Besucher an. Jeder mit einem Herzen für die See mag sie. Doch nach Corona und wegen vieler Behördenvorschriften, die keiner mehr versteht, wissen viele Eigner und Crews nicht, wie es weitergehen soll. Wieso pflegen wir nicht, was wir lieben? Eine neue Geschichte des Meeres, aufgeschrieben von Ankerherz-Verlagsleiter Stefan Kruecken.
Der Segler trieb bei starkem Wind in einer Rettungsinsel auf dem Atlantik, doch Hilfe war unterwegs. Knapp 20 Stunden dauerte es, bis ein Frachter den Wassersportler Martin Daldrup aus Haltern (Kreis Recklinghausen) erreichte. Daldrup wollte von New York City nach Kapstadt segeln, als seine Yacht sank.
Seine Rettung wurde in den Sozialen Medien mit Erleichterung aufgenommen und war Nachrichtenportalen große Schlagzeilen wert. Mich freut natürlich, dass der 59-jährige wohlauf ist. Glück gehabt! Manchmal wundert mich bloß, wie Dinge medial einsortiert werden.
Sterben Dutzende auf der Flucht vor Krieg und Vertreibung oder der Verzweiflung über ein miserables Leben, ist das häufig eine kleine Meldung wert. Die am liebsten überlesen wird. Segelt jemand aus Lust oder Langeweile durch die Gegend und hat ein Problem, springen die „Live-Ticker“ an. Warum ist das eigentlich so? Weil der Mann aus Haltern kommt und nicht aus Harare?
Traditionsschiffe in schwerer See
Aber gut, eigentlich soll es in dieser Geschichte um etwas anderes gehen.
Ich durfte am vergangenen Wochenende beim SailingCup vor Wilhelmshaven an Bord eines Schoners gehen und die anschließende Einlaufparade im Hafen moderieren. Zehntausende kamen, um 14 Traditionsschiffe zu bestaunen, darunter Schönheiten wie den Dreimast-Toppsegelschoner „Gulden Leeuw“, die Ketch „Iris“ oder die Bark „Artemis“.
Ein alter Kapitän und Haudegen, er heißt Günther Mundt, der einst wildeste Abenteuer in den Bars von Havanna erlebte, begleitete mich. Wir tranken Kaffee an Deck, klönten und beobachteten die Regatta. Es war wie der Flug in einer Zeitmaschine, ins Zeitalter der Korsaren und Piraten.
Wer sich im Hafen mit den Crews der Traditionsschiffe unterhielt, hörte von Schatten unter Segeln. Fast alle Crews kämpfen nach Corona ums wirtschaftliche Überleben. Häufig braucht es reiche Eigner, die das Schiff als Hobby betreiben, damit es keinen Schiffbruch gibt. Ehrenamtler opfern ihre Freizeit auf. Von den 14 alten Seglern, die nach Wilhelmshaven kamen, trugen, wenn ich mich nicht verzählt habe, zwei eine deutsche Flagge. Der Rest segelte aus den Niederlanden heran.
Es braucht jetzt einen Plan
Es sind Traditionsschiffe, die Menschen so lieben. Beim Hafengeburtstag in Hamburg, der Hanse Sail in Rostock oder in Wilhelmshaven. Hotels und Restaurants und alle, die Touristen betüddeln, profitieren davon. Warum aber pflegen wir so wenig, was wir lieben?
Es wird endlich Zeit für einen großen Plan, wie in Deutschland mit Traditionsschiffen weiter gehen soll. Eine Stiftung, einen Fonds, irgendwas. Bevor sich das Fenster in der Zeitmaschine für immer schließt.
Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründeten Ankerherz Verlag. Vorher war er Polizeireporter für die Chicago Tribune und arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie max, Stern und GQ von Uganda bis Grönland. Gerade erschien sein neues Buch: „Muss das Boot abkönnen“.
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