BELFAST CHILD. Zwischen Terror, Tradition und Titanic

BELFAST CHILD. Zwischen Terror, Tradition und Titanic. Ein Besuch in Belfast.

Von Stefan Kruecken, Ankerherz

When my love said to me,

Meet me down by the Gallow Tree.

For it’s sad news I bring,

About this old town and all that it’s suffering.

 

Jeder kennt Lieder, die einen schon immer begleiten. Die Erinnerungen zurückbringen, Empfindungen, Lieder, die man hörte und nie wieder vergaß. „Belfast Child“ von den Simple Minds ist für mich solch ein Lied. Ein Lied über den Nordirlandkonflikt und die Kinder der Stadt, die aufgehört haben zu singen. Das Lied hat eine leise, melancholische Kraft, und das Video dazu war damals, 1989, herausragend. Aufgenommen im Hafen von Belfast, in schwarz und weiß: Docker, heruntergekommene Straßenzüge, dazwischen immer spielende Kinder.

Es hat für mich bis 2017 gedauert, nach Belfast zu kommen. Beinahe schien ein Fluch auf diesem Ziel zu liegen: Zwei Mal sollte ich früher als Reporter dort arbeiten, beide Male wurde die Reportage kurzfristig abgesagt. Dann, 2016, stand ich vorne am Bug, als die MS Hamburg in den Hafen von Belfast hineinfuhr, auf der „Very British“-Tour. Die Kräne von Belfast waren schon in Sichtweite, als der Kapitän das Schiff drehte – wegen des Sturms war es ihm zu riskant, an der Pier festzumachen.

Nun endlich fahre ich vom Flughafen in die Stadt und biege in den Docks von der Autobahn ab. Der Industriehafen ist genau so, wie ich ihn erwartet habe: Es sieht nach Arbeit aus, die Fassaden sind schmutzig, viel ist nicht los an diesem Nachmittag. Das Wrack eines Kutters ist neben einer Straße abgestellt. Belfast hat keinen großen, modernen Containerhafen wie Hamburg oder Bremerhaven. Die Fähren nach Liverpool und rüber nach Schottland legen hier ab.

Belfast hat zu oft zurückgeblickt

Dass die Docks von Belfast weltberühmt waren, hängt mit der Werft „Harland & Wolff“ zusammen. Die „Titanic“ wurde in Belfast gebaut, und direkt auf dem Gelände steht heute eines der schönsten Museen der Welt, das Titanic Museum (eigenes Reise-Blog folgt). Auf sechs Etagen bietet es eine atemberaubende Reise durch die Geschichte von Belfast, mit Animationen, Bildern und einer Gondelfahrt, bei der man an manchen Stationen sogar die Hitze eines Ofens spüren kann.

Mehr als 10.000 Werftarbeiter beschäftigte „Harland & Wolff“ um das Jahr 1900, als hier die größten Schiffe Großbritanniens gebaut wurden, im größten Dock der Welt. Ein Verdienst des Museums ist es, nicht nur diese Superlative und die schönen Bilder in Schwarz und Weiß zu zeigen, sondern auch das Elend der Arbeiter in Docks, Leinenfabriken und der Seilerei. Miserabel bezahlt, schlecht ernährt und ständig in der Gefahr, sich bei der körperlich harten Arbeit schwer zu verletzen, hausten sie in Slums neben dem Werftgelände.

Belfast ist eine harte Stadt

Belfast ist eine harte Stadt, bis heute, es ist die Stadt von George Best und Van Morrison, in der man zu oft zurückgeblickt hat, statt nach vorne zu sehen. Mahnmale des Bürgerkriegs sind noch immer zu sehen, wenn man mit dem Auto in die Viertel neben dem ehemaligen Werftgelände fährt. Wandbilder („Murals“) von maskierten Männern, von bewaffneten Kommandos, Hauswände voller Parolen. Noch immer gelten diese Gegenden als die ärmsten in Großbritannien, und der soziale Verfall bietet Sprengstoff für die nächsten Unruhen. Es geht nicht nur um Konfessionen. Es geht um ein Ventil für die Wut.

Aus dem Hafen könnte das neue Belfast entstehen. Das „Titanic Quarter“ soll das ehemalige Werftgelände auf „Queen´s Island“ mit neuem Leben erfüllen, mit Wohnungen, Geschäften, Büroraum. An der Waterfront sind ebenfalls Millionen verbaut worden, moderne Geschäftsgebäude entstanden. Belfast hat sich herausgeputzt in den letzten Jahren, immer mehr Touristen kommen in die alte Stadt, kaufen ein, besuchen traditionsreiche Pubs wie „The Crown Liquor Saloon“ oder den „Duke of York“.

Ein Aufschwung ist zu spüren, auch finanziert aus den Förderprogrammen der Europäischen Union. Doch nun kommt der Brexit. Wie geht es mit Belfast weiter? Die Bewohner Nordirlands haben mit deutlicher Mehrheit gegen den Brexit gestimmt und die Frage, wie „britisch“ Nordirland ist, droht alte Konflikte neu zu entflammen. Sektierer aus beiden Lagern schüren schon heute den Konflikt, der befriedet zu sein schien. Schon 2016 hatte sich die Gewalt durch paramilitärische Aktivitäten in der Stadt wieder verdoppelt.

Some say troubles abound,

Some day soon they’re gonna pull the old town down.

One day we’ll return here,

When the Belfast Child sings again.

So heißt es im Lied „Belfast Child“ der Simple Minds. Die Kinder hatten begonnen, leise zu singen. Doch für wie lange? Am Tag, nach dem ich Belfast verlasse, greift ein Mann mit einer automatischen Waffe in der Crumlin Road einen Polizisten an. Der Beamte überlebt.

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In den Docks von Belfast.

 

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