Bremerhavener Forscher: Meereis der Arktis schmilzt dramatisch

Das Meereis der Arktis schmilzt dramatisch. Wie das Alfred-Wegener-Institut mit Sitz in Bremerhaven meldet, ist die verbleibende Eisdecke auf dem Arktischen Ozean nur noch 3,8 Millionen Quadratkilometer groß. Das ist der zweitkleinste, jemals gemessene Wert. Warme Luft und warmes Meerwasser sorgten dafür, dass das Meereis großflächig verschwand.

Zum zweiten Mal in der 42-jährigen Geschichte der satellitenbasierten Meereisbeobachtung ist das arktische Meereis in diesem Sommer auf eine Restfläche von weniger als 4 Millionen Quadratkilometer geschrumpft. Aktuellen Satellitenaufnahmen zufolge bedeckte das verbleibende Eis am Ende der zweiten Septemberwoche nur noch eine Fläche von 3,80 Millionen Quadratkilometer. Noch weniger Meereis gab es nur im Negativrekordjahr 2012.

Überraschend ist dieser besonders starke Rückgang für die Wissenschaftler kaum. Zum einen war im vergangenen Winter in den russischen Randmeeren des Arktischen Ozeans nur auffallend dünnes Meereis gebildet worden. Was daran lag, dass beständig wehende, ablandige Winde es schnell nach Norden schoben. Infolgedessen blieb auch die Eisdecke der Laptewsee, Karasee und Ostsibirischen See vergleichsweise dünn. Sie brach bereits im Monat März wieder auf – früher als jemals zuvor.

Wärmerekord schmilzt Meereseis

Zum anderen verzeichnete man in der Arktis in diesem Jahr einen Wärmerekord nach dem anderen. Im Mai und Juni beispielsweise verharrte eine große Warmluftzelle über der sibirischen Küste. Die Lufttemperatur lag bis zu 6 Grad Celsius (!) über dem Langzeitmittel lag. „Diese Wärme schmolz zunächst das dünne Meereis in der Laptewsee. Anschließend beschleunigte sie den Rückzug des Eises in der Ostsibirischen See, sodass die russische Arktis bereits im Juni dieses Jahres rund eine Million Quadratkilometer weniger Meereis aufwies als in den sieben Jahren zuvor“, sagt Prof. Christian Haas, Leiter der Sektion Meereisphysik am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) in Bremerhaven.

Im Juli wanderte eine Wärmezelle dann in die zentrale Arktis und ließ die Lufttemperaturen dort bis zu 6 Grad Celsius über das Langzeitmittel der Jahre 1981 bis 2010 steigen. Im selben Monat fegte zudem ein Sturm über den kanadischen Sektor des Arktischen Ozeans und verteilte das dort treibende Meereis großflächig. Viele Schollen schmolzen anschließend innerhalb kurzer Zeit. Das stellenweise nun offene Oberflächenwasser erwärmte sich durch die Sonneneinstrahlung schnell.

Die zunehmende Wärme im Klimasystem der Erde griff das Meereis in diesem Jahr aber auch von unten an.

Wo die Meereisdecke früh im Jahr verschwand, konnte die dunkle Meeresoberfläche länger als sonst Sonnenenergie absorbieren. Das Oberflächenwasser erwärmte sich demzufolge besonders stark. Die Meeresoberflächentemperatur in den russischen Randmeeren sowie in der Barentssee und der Tschuktschensee lag bis zu 4,5 Grad Celsius über dem Langzeitmittel.

Wärme auch aus der Tiefe

„Wir gehen davon aus, dass es bedingt durch das stabile Hochdruckgebiet über der zentralen Arktis im Juli und August deutlich mehr wolkenlose Tage gab. Dadurch konnte die sonst durch Wolken verringerte einfallende Sonneneinstrahlung in diesem Jahr ebenfalls zur Eisschmelze beitragen“, erläutert AWI-Klimatologin Dr. Monica Ionita.

Eine weitere Rolle dürfte Wärme aus der Tiefe des Ozeans gespielt haben. Wie aktuelle Forschung zeigt, steigen im östlichen Teil des Arktischen Ozeans warme atlantische Wassermassen, die bislang in Tiefen von etwa 150 Metern zirkulierten, langsam auf und verändern unter anderem den Wärmeaustausch zwischen den arktischen Wassermassen. Wärme aus der Tiefe kann unter diesen Voraussetzungen selbst im Winter häufiger bis an die Meeresoberfläche aufsteigen. Sie schmilzt das  Eis von unten oder verlangsamt sein Wachstum. Aus diesem Grund ist das Eis dann zum Ende des Winters bereits dünner ist als in den Jahrzehnten zuvor.

Zeugen auf der „Polarstern“

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an Bord des deutschen Forschungseisbrechers „Polarstern“ konnten die rapide Eisschmelze in diesem Sommer live miterleben. „Das Meereis der Arktis hat sich in diesem Jahr atemberaubend weit zurückgezogen. Als wir den Nordpol kürzlich erreicht haben, sahen wir weite Bereiche offenen Wassers fast bis zum Pol, umgeben von Eis, welches durch massives Schmelzen völlig durchlöchert war. Das Eis der Arktis schwindet in dramatischer Geschwindigkeit. Mit der MOSAiC-Expedition untersuchen wir die zugrundeliegenden Prozesse detaillierter als jemals zuvor direkt vor Ort, damit wir diese rasanten Veränderungen der Arktis in unseren Klimamodellen richtig wiedergeben können“, sagt Expeditionsleiter Prof. Markus Rex.

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