Mit der Queen Mary 2 durch den Atlantiksturm

Die Erinnerungsfunktion von Facebook ist doch manchmal eine schöne Sache, und besonders für jemanden für mich, der selbst den eigenen Geburtstag vergisst.

Heute vor drei Jahren postete ich von Bord der Queen Mary 2 einen Seewetterbericht. Wir waren auf dem Weg von Hamburg nach New York City. Das Bild sieht aus wie eine wilde Poesie und violett und rot, was selten gut ist, wenn es um Seewetterberichte geht. Je farbiger der Ton, desto höher die Wellen, und im Falle unserer Reise über den Atlantik würden sie zwischen  sieben und zehn Metern liegen. Je weiter wir rausfuhren auf den Ozean, desto heftiger würde der Schwell werden, das war klar.

Um ehrlich zu sein, doch ein leicht mulmiges Gefühl, selbst auf der Queen Mary 2. Wir befanden uns südlich von Irland, als der Wetterbericht eintraf.

Er sollte halten, was er versprach.

Der Seewetterbericht. Foto: Weather365


Es wurde eine der schönsten Reisen, die ich je unternommen habe.

Selbst der große Oceanliner bewegt sich bei Beaufort 10 und mehr (in einer Nacht war es sogar eine ausgewachsene 12.) Das Schiff rollte und schaukelte, was ich herrlich gemütlich fand. Ich konnte auch so gut einschlafen wie selten zuvor. Bei meinem Freund Bobby Dekeyser, der sechs Decks über mir untergebracht worden war, sah es schon anders aus: Dort war es schwierig, den langen Gang hinunterzulaufen – und Bobby hatte leider auch mit der Seekrankheit zu tun.

Mitten auf dem Atlantik: die Queen Mary 2 in einer Landschaft aus Wellen.

 

Mit der Queen Mary 2 durch den Atlantiksturm

Am Schönsten waren die Stunden draußen an Deck – wenn die Decks denn geöffnet waren. Manchmal war der Sturm so extrem, dass die Türen aus Sicherheitsgründen verschlossen blieben. Ich genoss es, jede Stunden an der Atlantikluft zu sein. Nirgendwo sonst kann man sich so im Anblick der Wellen verlieren.  Kapitän Schwandt sagte einmal sagte, dass es ihm auch nach vielen Jahren auf See nie langweilig wurde. Weil er die See als eine Landschaft aus Wellen betrachtete, die sich in jeder Minute verändert. Ich konnte ihn nach dieser Reise gut verstehen.

Als wir die Stelle passierten, an der die „Titanic“ auf Grund liegt – auf 41° 43′ 55″ N, 49° 56′ 45″ W, machte der Kapitän eine Durchsage, um der Ertrunkenen der Katastrophe zu Gedenken. Eine eigenartige Stimmung an Bord, feierlich und auch traurig. Auch die Passage des berühmten und berüchtigten „Flemish Cap“, wo die Andrea Gail im schlimmsten Sturm seit Beginn der Wetteraufzeichnung sank, brachte mich zum Nachdenken. Wie mag es für die Männer an Bord der Trawler sein, hier zu arbeiten? Der Sturm war ganz normales Atlantikwetter. Für die Fischer ist es Alltag.

Sturm am berüchtigten Flemish Cap

Jeder Fischer kennt das Fanggebiet etwa 300 Seemeilen östlich von Saint Johns in Kanada. Es ist so groß wie das Bundesland Niedersachsen und das Ziel von Schwertfischern. Auch Heilbutt, Garnelen und Jakobsmuscheln werden hier im Nordatlantik gefangen. Bekannt wurde es aus dem Buch und der Hollywood-Verfilmung von DER STURM.

Abend alleine an Deck. Man kann einmal um das Schiff herumspazieren. Alle Fotos: Ankerherz Verlag

Unterhalb von Neufundland brach die Wolkendecke nach Tagen auf. Das schwere Grau wich einem dunklen Blau, die Sonne schön – und nun war alles wie in einem Traum. Atlantikdünung und Sonnenschein. Ich saß von morgens bis Abends an Deck und ging nur hinein, um mir den nächsten Kaffee zu holen, mit dem die Finger wärmen konnte. Die Stunden verstrichen, das Gefühl für die Zeit verschwand. Es rauschte und heulte. Die Luft schmeckte nach Salz, wie es noch nie geschmeckt hatte.

Zum ersten Mal seit Tagen sahen wir ein anderes Schiff, einen großen Containerfrachter. Eine erschöpfte, kleine Möwe landete an Deck. Atlantik, so weit und rein und schön.

Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründeten Ankerherz Verlag. Das Paar hat vier Kinder und lebt in einem Dorf bei Hamburg.

 

 

 

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