Seemannsdiakon Sturm: Die verlorenen Seeleute von Kiribati

Die verlorenen Seeleute von Kiribati. In einer neuen Ankerherz-Kolumne von Fiete Sturm, dem Seemannsdiakon von Hamburg-Altona, geht es um Seeleute, die wegen der Pandemie nicht nach Hause kommen. Und die selbst kurz vor ihrem Ziel noch aufgehalten werden.

Fiete schreibt:

Es ist ein grauer Wochentag gegen Ende des Jahres. „Unsere“ 20 kiribatischen Seeleute sollen heute endlich ihren Flug nach Fidschi antreten. Der letzten Station vor der langersehnten Rückkehr in ihre pazifische Heimat, den Inselstaat Kiribati.

Manche von ihnen waren mittlerweile fast zwei Jahre nicht mehr zuhause. In der Pandemie hat die Regierung von Kiribati die Grenzen geschlossen, um eine Ausbreitung des Corona-Virus auf den über 30 Inseln zu verhindern. Dabei verwehrte sie auch den eigenen Landsleuten die Einreise.

Nach ihrem Dienst an Bord, der dieses Mal über ein Jahr dauerte, kamen sie schließlich zu uns in die Seemannsmission Hamburg-Altona. Sie wurden dort von meinen KollegInnen und mir für ein gutes halbes Jahr in die „Familie“ aufgenommen.

Über Fidschi nach Kiribati

Nun ist es endlich soweit. Der vorletzte Schritt der Heimreise nach Kiribati steht bevor. Dem Plan nach müssen sie noch ein paar wenige Wochen auf Fidschi in einer Quarantäne-Einrichtung verbringen und können dann endlich den letzten Flug nach Bonriki / South-Tarawa, dem Flughafen der kiribatischen Hauptinsel, nehmen. Alle sitzen sprichwörtlich auf gepackten Koffern – und freuen sich.

Doch dann, kurz vor der Abfahrt zum Hamburger Flughafen, kommt die Nachricht, dass Fidschi die Einreisegenehmigung nicht erteilt hat. Wegen der steigenden Zahlen in Deutschland haben sich die Formalitäten geändert! Der Abflug wird in der kommenden Woche neu angesetzt.

Die Stimmung ist merklich gedrückt. Doch alle versuchen, ihre Enttäuschung herunterzuschlucken und sich auf den nächsten Versuch vorzubereiten. Die nächsten Tage versuchen wir, so gut es geht. für die „Jungs“ da zu sein und die Zeit nicht zu lang werden zu lassen.

Die nächste Hiobsbotschaft

Schließlich, eine Woche später, kommt die Freigabe aus Fidschi und nach vielen Abschieden geht es los zum Flughafen. Unsere ehrenamtliche Mitarbeiterin Carola begleitet unsere Seeleute bis direkt zum Flughafen. Gott sei Dank muss man sagen!

Am Check-In gibt es wieder eine Hiobsbotschaft. Neuseeland als Transitland braucht für jeden einzelnen Seemann eine separate Bestätigung. Das Personal am Schalter und Carola kümmern sich darum, dass alle ihre nötigen Sondergenehmigungen erhalten. Dann geht es ans Gepäck. Trotz vorheriger Planung haben viele Seeleute deutlich zu viel eingepackt. Auch hier ist unser ehrenamtlicher Engel nicht um eine pragmatische Lösung verlegen. Nach kurzer Intervention beim Flughafenteam organisiert sie das Umverteilen unter den Seeleuten. Schließlich können dann doch alle an Bord des Flugzeugs gehen und den Flug nach Fidschi antreten.

Happy-End? Noch immer nicht

Eigentlich wäre hier ein guter Punkt für ein Happy End. Alle kommen Zuhause an, nehmen ihre Liebsten in den Arm und leben glücklich und zufrieden? Nein. Leider macht uns die Pandemie aber auch hier einen Strich durch die Rechnung.

Ein paar Wochen später erreicht uns die Nachricht, dass sich die Seeleute bis auf ein paar wenige in der Quarantäne doch infiziert haben. Die paar, die verschont geblieben sind können ihren letzten Flug antreten aber müssen in der Heimat noch mal in Quarantäne. Letztendlich ist das Virus auch hier angekommen und so schließt die Regierung kurzerhand erneut die Grenzen.

Seeleuten aus Kiribati geht das Geld aus

Für die Seeleute, auf Fidschi verblieben, bedeutet dies, dass sie aktuell weiter in Ungewissheit leben, wann und wie sie zu ihren Familien zurückkommen. Zu allem Überfluss geht ihnen langsam das Geld aus. Mit der Ankunft auf Fidschi endet offiziell ihr Arbeitsverhältnis. Auch wenn Kost und Logis vor Ort noch gewährleistet sind, so fehlt es vor allem an der Möglichkeit, die Familie in der Heimat zu unterstützen. Darum versuchen wir aktuell, Fördergelder und Spenden aufzubringen. Um „unsere Seeleute“ und ihre Familien zu unterstützen, bis sie zumindest endlich wieder beisammen sind.

Es stimmt mich nachdenklich, dass diese Menschen Tag für Tag, Woche für Woche und sogar Jahr um Jahr dort draußen auf den Meeren für uns alle unterwegs sind um unseren Lebensstandard zu gewährleisten, dann aber – am Ende der Fahrt – allein gelassen werden.

Wenn ihr uns helfen wollt zu helfen, dann freuen wir uns über jede Unterstützung. Egal ob groß oder klein! Wir versichern euch, dass die Hilfe direkt bei den Seeleuten ankommt. Hier geht es zum Link.

Danke Euch!

Aus dem Hamburger Hafen

euer Fiete Sturm

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