Stefans Geschichten vom Meer: der alte Frachter Bleichen

Jeden Samstag schreibt Ankerherz-Verlagsleiter Stefan Kruecken eine Kolumne für die Hamburger Morgenpost. In den „Geschichten des Meeres“ geht es diesmal um eine unscheinbare Hamburger Sensation: den alten Frachter „Bleichen“.

Es ist keine Lokalbesoffenheit, wenn ich schreibe, dass Hamburg zu den schönste Hafenstädten der Welt gehört. Jeder denkt sofort an die Landungsbrücken, an die Elbphilharmonie, Sankt Pauli, an berühmte Schiffe wie die Rickmer Rickmers oder die Cap San Diego. Doch es sind auch viele unauffällige Sensationen, die Hamburg so besonders machen.

Die „Bleichen“ ist eine Sensation

Wie ein kleiner, grauer, unscheinbarer Stückgutfrachter aus den 1950-er Jahren, der so klein, grau und unscheinbar ist, dass er bei jeder Auslaufparade beinahe unsichtbar zwischen den anderen Schiffenfährt. Doch weil er in einem so guten Zustand fährt, ist dieser Frachter eine echte Rarität: die „Bleichen“, die vor Schuppen 50 am Bremer Kai ihren Liegeplatz hat.

Wie viele schöne Sachen in Deutschland wird auch die „Bleichen“ von einer Crew aus Ehrenamtlern am Leben gehalten. Diese Männer und Frauen sorgen unter dem Dach der Stiftung Maritim dafür, dass Passagiere auf eine Zeitreise gehen können. An Bord erlebt man Seefahrtsgeschichte, von der Brücke über die Crewmesse bis runter in die Luken. Vor kurzem setzte der Rapper Samy Deluxe im Bauch des Schiffes musikalisch „Segel“, als er ein Live-Konzert für MTV aufnahm.

Die Atmosphäre auf der alten Dame „Bleichen“ ist echt, authentisch, und es riecht sogar noch wie früher.

Die „Bleichen“, gebaut in der Rendsburger Nobiskrug-Werft, fuhr oft von Hamburg nach Skandinavien, um Papier zu holen. Wurde in den finnischen Wintern das Eis auf der Ostsee zu dick, ging es in die Häfen von Westafrika, für Holz, Erdnüsse und Kakao. Das Schiff kam 1979 in den Besitz eines türkischen Reeders, der es in „Arcipel“ umtaufte und im Mittelmeer und im Schwarzen Meer einsetzte. 28 Jahre fuhr das Schiff für diesen Unternehmer, und weil er deutsche Technik so schätzte, achtete er penibel darauf, dass immer alles in optimalem Zustand war.

Von Moroni zurück nach Hamburg

So tuckerte die „Bleichen“ mit ihrem Diesel auch in den 1990er-Jahren nicht ins Stahlwerk, sondern weiter über die Meere. Inzwischen unter dem Namen „Old Lady“ mit Heimathafen Moroni, einer kleinen Stadt auf der kleinen Inselgruppe der Komoren, nördlich von Madagaskar. 2006 sollte das Schiff verschrottet werden. Doch nun kam die Stiftung Hamburg Maritim ins Spiel. Eine Spendenaktion brachte das Schiff nach hunderttausenden Seemeilen zurück nach Hause. Was für eine Geschichte!

Das Schiff kann besichtigt werden und es gibt regelmäßige Fahrten. Zum Beispiel am Freitag, 30. August, wenn es von Hamburg aus nach Brunsbüttel geht. Ich werde mit an Bord sein und Geschichten von der See erzählen.

Karten für diese besondere Tour gibt es hier bei unseren Freunden von ELBE UND MEER.

Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründeten Ankerherz Verlag (www.ankerherz.de). Vorher war er Polizeireporter für die Chicago Tribune und arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie max, Stern und GQ von Uganda bis Grönland. Grade erschien sein neues Buch Kapitäne.

 

 

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