Stefans Geschichten vom Meer: Holt Schulschiff Deutschland nach Hause!

Holt Schulschiff Deutschland nach Hause! In dieser Folge von Stefans Geschichten vom Meer geht es um ein besonderes Schiff mit dem Heimathafen Bremerhaven. Und um eine Idee, die vielleicht mehrere Probleme lösen könnte.

Am Wochenende ging ich nach dem Gewitter in den Havenwelten spazieren. Der Himmel hatte was von Mordor im „Herr der Ringe“, Bremerhaven Oberfeuer war angeleuchtet und dann lag da dieses Schiff. Was die „Alexander von Humboldt 2“ für das Hafenensemble mitbringt, war schon mal Thema dieser Kolumne: Sie ist aktuell das grüne Herz der Stadt am Meer.

An Stelle der Tourismusbehörde würde ich mir irgendwelche Gründe ausdenken oder notfalls mit einer extradicken Kette nachhelfen, damit das Schiff am Zoo am Meer liegen bleiben muss. Aber im Ernst: In Kürze wird die „Alex2“ wieder lossegeln, denn dafür ist sie gebaut. Den Havenwelten fehlen dann nicht nur drei Masten.

Schulschiff Deutschland als Lösung

Nun hat man viele Millionen Euro bewilligt für den Nachbau der „Seute Deern“, deren Wrack wie ein unappetitliches Geschwür im Museumshafen liegt. Wie das neue Schiff aussieht? Welchen Zweck es erfüllt? Das gibt noch Stoff für ewige Diskussionen. Gäbe es kein anderes historisches Schiff, das einen neuen Hafen sucht und kurzfristig im Neuen Hafen festmachen könnte?

Eine Lösung findet man nicht in weiter Ferne, sondern nur fünfzig Kilometer die Weser hinauf. Im Bremer Norden, in Vegesack, liegt Schulschiff Deutschland, ein weißer Traum für jeden, der sich für Seefahrt interessiert und alte Schiffe mag. Aktuell gibt es Ärger in der Nachbarschaft: Ein Investor möchte am Liegeplatz bauen, neun Stockwerke hoch, wogegen sich der „Deutsche Schulschiff-Verein“ als Eigentümerin des Seglers wehrt. Sogar eine Online-Petition ist gestartet. Doch die Aussicht auf Erfolg scheint eher gering zu sein.

Ich war vor kurzem wegen eines Fotoshootings an Bord von Schulschiff Deutschland, das so heißt, weil der geplante Name „Deutschland“ an einen Panzerkreuzer vergeben war. Ein wirklicher Schatz, im Juni 1927 vom Stapel gelaufen, der von einer Crew aus Ehrenamtlern so großartig gepflegt wird, dass man jeden einzelnen knutschen möchte. Schulschiff Deutschland ist das letzte deutsche Vollschiff, und jetzt kommt aus Bremerhavener Sicht das Beste: Sie wurde in Geestemünde gebaut, in der legendären Tecklenborg-Werft.

Gebaut in Bremerhaven

Die Werft galt bis 1928 als Institution für den Bau hochwertiger Segelschiffe, was sich sogar in einer Redewendung niederschlug: „Kaptein, si ohne Sorg’, din Schip is baut bi Tecklenborg“.Anders also als die Seute Deern, die aus Amerika stammte und nach einem Umweg über Finnland, Hamburg und Emden nach Bremerhaven geschleppt wurde – also eigentlich nie etwas mit der Stadt zu tun hatte, als deren Wahrzeichen man sie benannte – symbolisiert „Segelschulschiff Deutschland“ ein Kapitel Bremerhavener Stadtgeschichte.

An Deck von Schulschiff Deutschland. Foto: Ankerherz

 

Eigentlich sollte die Frage lauten, warum man ein Juwel wie Schulschiff Deutschland überhaupt in Vegesack versteckt, demnächst im Schatten eines Hochhauses? Wie man hört, gehen demnächst einige Ehrenamtler in Ruhestand, der Förderverein braucht neue Mitglieder und nicht nur wegen der Corona-Krise frische Einnahmen. Dass man das Schiff nicht ans Deutsche Schifffahrtmuseum übergeben mag, außer zum Abwracken, erscheint verständlich.

Die Havenwelten aber sind eine Bühne, wie geschaffen für eine alte Lady wie Schulschiff Deutschland. Umgekehrt ist das Schiff die logische Lösung, um echtes maritimes Erbe in die Stadt zu bringen. Nüchtern betrachtet eine „Win-Win-Situation“, wie es im Marketing-Sprech heißt. Und es gibt Handlungsdruck auf beiden Seiten. Kostengünstig wäre die Lösung auch noch. Mit den Millionen für den „Seute Deern“-Nachbau könnte dann ein Dokumentationscenter entstehen und der Erhalt sämtlicher Schiffe gesichert werden, die im Museumshafen vor sich hin modern.

Also: Holt Schulschiff Deutschland zurück in ihren Heimathafen!

Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründeten Ankerherz Verlag. Vorher war er Polizeireporter für die Chicago Tribune und arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie max, Stern und GQ von Uganda bis Grönland. Sein neues Buch heißt Kapitäne.

 

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