Stefans Geschichten vom Meer: Lotsen, stille Helden der Häfen

Lotsen sind die stillen Helden der Häfen. Sie sind Nautiker mit den Eigenschaften von Stuntmen – und sie haben einen gefährlichen Beruf. Wie ein aktuelles Ereignis zeigt. In Stefans Geschichte vom Meer geht es diesmal um die Würdigung eines Berufsstandes.

Als er sieht, dass sein Kollege von der Leiter fällt, mit dem Kopf an die Schiffwand knallt und in die Nordsee stürzt, zögert der Lotse nicht. Er springt in die kalte See im Mündungsgebiet des Humber an der Ostküste Englands, um ihn zu retten.

Es gelingt ihm, hinzuschwimmen und den Kopf des Bewusstlosen über Wasser zu halten. Die Crew des Bootes, mit dem Lotsen an die Schiffe herangefahren werden, ist ebenfalls schnell zur Stelle. Sie zieht die Männer an Bord. Ein Hubschrauber der Küstenwache fliegt den Verunglückten kurz darauf ins Krankenhaus.

Lotsen haben einen gefährlichen Beruf

Doch Francisco Galia, ein Italiener, der zwei Jahrzehnte lang Schiffe sicher in den Hafen von Hull brachte, stirbt. Sein Retter kommt mit Unterkühlungen in die Klinik. Besonders tragisch: Für Galia sollte es einer der letzten Einsätze sein, kurz vor seinem Ruhestand. Ermittler haben damit begonnen, die Ursache des Unglücks zu suchen.

Was sich am Sonntag knapp zwei Seemeilen östlich von Spurn Point ereignete, ist eine Erinnerung daran, wie gefährlich der Beruf des Lotsen ist. Ich schrieb es in meiner Kolumne schon einmal: Für mich sind Lotsen unsichtbare Helden, die den großen Organismus Hafen am Laufen halten. Auf dem Humber vor Hull, auf der Elbe vor Hamburg, einfach überall, wo Seefahrt kompliziert ist.

Bei jedem Wetter

Schnelle Boote bringen die Lotsen an die Schiffe heran, es gibt einen kurzen Kontakt, dann steigt der Mann auf eine wacklige Strickleiter. Wenn die Crew eines Frachters unaufmerksam ist, die Leiter nicht richtig befestigt oder das Material nach einer Reise in die Tropen porös ist, kann es böse Überraschungen geben.

„Geschichten von Lotsen, die in den Bach gefallen sind, kennt jeder“, sagte mir Nicole Schnell, Lotsenversetzerin in Bremerhaven. Gearbeitet wird bei fast jedem Wetter. Ab einer gewissen Wellenhöhe ist es zu gefährlich. Lotsen sind Nautiker, die Eigenschaften von Stuntmen mitbringen müssen.

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Ich erinnere mich an Kapitän Hans-Peter Jürgens, einen legendären Seemann, dessen Biographie ich aufschreiben durfte. Er überlebte als Schiffsjunge die wilden Stürme vor Kap Hoorn und die Selbstversenkung eines Frachters im Atlantik. Auf die Frage, was die gefährlichste Situation seines Lebens auf See war, antwortete er mit einer Situation, die er als Lotse in der Kieler Förde erlebte.

Manchmal richtig Glück haben

In Dunkelheit einer kalten Winternacht fiel er von der Lotsenleiter in die kalte Ostsee – und wurde im letzten Moment, in dem noch Leben in ihm war, von der Schiffsbesatzung gefunden. Beim Unglück brach er sich das Handgelenk. „Manchmal muss man richtig Glück haben“, sagte mir Jürgens.

Francisco Galia, der verunglückte Lotse von Hull, hatte es leider nicht.

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Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründeten Ankerherz Verlag. Vorher war er Polizeireporter für die Chicago Tribune und arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie max, Stern und GQ von Uganda bis Grönland. Gerade erschien sein neues Buch: „Muss das Boot abkönnen“.

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