Stefans Geschichten vom Meer: Trost auf dem Nordatlantik
Trost auf dem Nordatlantik. In Stefans Geschichte vom Meer geht es diesmal um eine besondere Reise nach Island. Weit weg vom furchtbaren Krieg in Europa? Nicht ganz.
Ich schreibe diese Geschichte vom Meer in meiner Koje, irgendwo zwischen den Färöer und Shetland auf dem Nordatlantik. Morgen Früh im ersten Licht erreichen wir Muckle Flugga, dafür habe ich den Wecker gestellt. Es ist einer meiner Sehnsuchtsorte, ein kleiner Leuchtturm auf Klippen in diesem wilden Ozean.
Der Nordatlantik ist friedlich. Diesmal.
Die Islandfähre schaukelt durch die Wellen. Ziemlich ruhig ist das Wetter, gemessen an dem, was in den Stürmen des Nordens möglich ist. Seit einer Woche sind wir nun auf See, unterwegs auf unserer „Skua-Tour“, die wir nach der großen Raubmöwe benannten. Eine Gruppenreise von Hirtshals in Dänemark über Torshavn nach Seydisfjördur, dem Fjord mit der Feuerstelle im Osten Islands.
Es geht aber gar nicht um die Häfen, sondern um die 1600 Meilen See dazwischen. Wir haben alte Kapitäne an Bord, natürlich Geschichten von der See und jede Menge Shanties, die wir singen, mit dem Wattführer Albertus von Borkum und seinem Akkordeon.
Krieg ist mit an Bord
Der Krieg aber ist mit an Bord. Wie ein Schatten liegt er über den Gesprächen. Mir setzten die Nachrichten aus der Ukraine zu. Die Bilder toter Kinder, von sinnlosem Leid und barbarischer Zerstörung. Wir sind nicht auf einem Raumschiff unterwegs – über das Bordinternet bekommen wir vieles mit.
Wir alle machen uns Sorgen in dieser Zeit. Kriegsbilder. Kriegsangst, steigende Kosten, allgemeine Unsicherheit im zweiten Jahr einer Pandemie, die noch immer nicht vorüber ist. Was kommt als nächstes und wie weit eskaliert der Kriegsverbrecher Putin noch?
Wie umgehen mit dem Gefühl der Hilflosigkeit?
Es stellt sich die Frage: Wie geht man selbst mit den Sorgen und dem Gefühl der Hilflosigkeit im Alltag um?
Ich hörte mal diesen Spruch: „Wenn du Probleme hast, dann fahr aufs Meer. Die Probleme sind nicht weg, aber du bist auf dem Meer“. So einfach ist das natürlich nicht, doch der Nordatlantik und die Gemeinschaft an Bord halfen mir tatsächlich. Auf die Wellen schauen, Stunde um Stunde. Möwen beobachten. Kalten Wind im Gesicht spüren und dann auf einen Kaffee in der Lounge auf Deck einkehren. „Leave her Jonny leave her.“
Als wir in Island ausliefen, an einem tiefblauen Abend, an dem die Wolken in den Bergen festhingen und die See so bedrohlich schwer wirkte, merkte ich, dass die Energie zurück war. Der Ozean kann wirklich ein Tröster sein.
Sucht Euch einen Nordatlantik!
Nun ist es ein Geschenk, eine solche Reise mit einer Gruppe erleben zu können. Aber vielleicht hilft auch ein Spaziergang an der Elbe. Eine Runde auf einer Hadag-Fähre durch den Hafen. Ein Buch oder ein Tagesausflug an die Ostsee oder nach Cuxhaven. Einfach mal rauskommen und sich selbst auf andere Gedanken bringen.
Vielleicht liegt ein Nordatlantik gleich um die Ecke…
Zum Autor: Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet den Ankerherz Verlag. Vorher war er Polizeireporter für die Chicago Tribune und arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie max, Stern und GQ von Uganda bis Grönland. Zuletzt erschien das Buch „Überleben im Sturm“ über die Retter der RNLI.
ACHTUNG: Wer mitkommen möchte zur nächsten Ska-Tour im November 2022 findet HIER alle Informationen und kann sich anmelden. Kommt mit zum Abenteuer Nordatlantik!
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