Seemannsdiakon Sturm: ein Corona-Tag in der Seemannsmission

Ein Corona-Tag in der Seemannsmission. Jeden Donnerstag, dem „Seemanns-Sonntag“, erscheint im Ankerherz Blog eine Kolumne von Fiete Sturm, dem Seemannsdiakon von Hamburg-Altona. Diesmal geht es um einen ganz normalen Arbeitstag in der Seemannsmission an der Großen Elbstraße.

Moin!

Seemannsmission ist für viele bestimmt ein abstrakter Begriff. Viele können sich darunter nicht gleich etwas vorstellen. Zumal wir an vielen verschiedenen Standorten teilweise unterschiedliche Schwerpunkte haben. Aber eines haben meine Kollegen und ich gemeinsam: Wir kümmern uns um Seeleute. Das tun wir während ruhiger, sonniger Tage genauso wie im sprichwörtlichen Sturm und Gewitter.

Aktuell erleben wir mal wieder eine sehr unruhige und stellenweise auch bedrohliche Zeit. Dass viele Seeleuten momentan nicht so ohne weiteres nach Hause kommen, hatte ich ja schon im Ankerherz Blog berichtet (HIER und HIER geht es zu alten Folgen). Aber wie genau sieht das hier im Hamburger Hafen und in unserem Haus an der Großen Elbstraße aus? Da will ich euch an dieser Stelle mal kurz vertellen.

Coronazeit in der Seemannsmission

Während wir am Anfang der Corona-Krise so gut wie nichts zu tun und nur zwei Seeleute im Haus hatten, die wegen Verletzung und Krankheit nicht nach Hause kamen, hat sich die Situation nun grundlegend gewendet. Zwischenzeitlich nahmen wir auf Bitten des Hafenärzlichen Dienstes einige der wenigen positiv getesteten Seeleute auf. Sie mussten in Quarantäne. Wir haben sie zwei Wochen lang versorgt, bis sie genesen waren.

Jetzt sieht es so aus, dass unser Haus – immerhin fünf Etagen hoch mit knapp 40 Gästezimmern – ziemlich voll ist mit Seeleuten. Viele von ihnen haben ganz persönliche Herausforderungen in den letzten Monaten durchgemacht. Die normale Trennungszeit von der Familie hat sich in manchen Fällen auf bis zu 16 Monate ausgedehnt. Und manch einer weiß immer noch nicht, wann und wie er wieder nach Hause kommt.

 

Gleich um die Ecke, am Altonaer Kreuzfahrt-Terminal, liegen immer wieder verschiedene Kreuzfahrtschiffe. Auf diesen schwimmenden Vergnügungslinern leben und arbeiten seit Beginn der Krise ununterbrochen Menschen. Sie halten das Schiff am Laufen. Sie bereiten sich darauf vor, wieder mit Gästen in See zu stechen. Manche Crewmitglieder halten diese Situation einer eingeschränkten Bewegungsfreiheit an Bord nicht gut aus. Sie verlassen das Schiff und versuchen in die Heimat zurück zu kommen. Letzte Woche hatten wir einen solchen Fall.

Die Ungewissheit zehrt an den Nerven

Meine Kollegen halten den Betrieb der Seemannsmission am Laufen. Auch bei uns zehrt die Ungewissheit derzeit an den Nerven und auch an den Kräften. Den Betrieb wieder von „0 auf 100“ zu bringen, das war und ist dazu ein ziemlicher Kraftakt. Zu den Mahlzeiten kommen die Seeleute in den Speisesaal. Sie sind alle sehr verständnisvoll, wenn es etwas länger dauert. Wir können nämlich kein Buffet anbieten, sondern müssen einzelne Tabletts fertig machen. Was einfach klingt, raubt viel Zeit. Besonders, wenn die Kollegin in der Küche zwischen 5:30 und 12:00 Uhr alleine ist.

Unsere Mitarbeiter und jungen Menschen im Freiwilligen Sozialen Jahr und Bundesfreiwilligendienst helfen aus, wo immer es notwendig ist. Mehrmals täglich machen wir sauber, desinfizieren Türklinken, erledigen Besorgungen usw.. Während all dem halten wir den „Seemannsclub“, einen kleinen, urigen und gemütlichen Barbereich im Keller besetzt. Wir wollen uns um die kleinen und größeren Wünsche der Seeleute kümmern.

Gute Nachricht für zwei Crewmitglieder

Besonders angetan hatten es uns zwei Lateinamerikaner, die von einem Kreuzfahrtschiff zu uns kamen. Sie wollten zurück in ihre Heimat. Es ging ihnen überhaupt nicht wirklich gut. Sie kratzten deutlich am Rande einer schweren Depression. Doch dann gab es endlich gute Nachrichten: Wir bekamen vom Agenten der Schifffahrtsagentur die Nachricht, dass er einen Flug für die beiden gefunden hatte.

Als ich den beiden Crewmitgliedern die Nachricht nach dem Abendessen mitteilte, ging eine sichtbare Veränderung in ihnen vor. Man merkte, wie eine schwere Last von beiden abfiel. Wie sie zum ersten Mal seit Wochen frei durchatmen konnten. Im Laufe der nächsten Tage bereiteten wir sie darauf vor, wieder nach Hause zu kommen. Wir fuhren  zum Hafenarzt, für den Flug notwendige Tests vorzunehmen. Mein Clubleiter führte am Vorabend der Heimreise noch ein emotionales Gespräch mit ihnen, in dem sie sich herzlich bedanken. Ja, es mündete sogar in einer ganz vorsichtigen Umarmung.

Vor kurzem kam dann via Facebook die Nachricht, dass beide gut und sicher in der Heimat gelandet sind. Dies sind dann die Momente, in denen ich unmittelbar mitbekomme, wie wichtig und sinnvoll unsere Arbeit ist.

Aus dem Hamburger Hafen,

euer Fiete Sturm

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