Nach Gewaltdrohung Libyens: Sea-Eye unterbricht Rettungsaktion

Die deutsche Hilfsorganisation „Sea-Eye“ setzt ihren Einsatz zur Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer auf unbestimmte Zeit aus.  Mit zwei Schiffen hat die NGO nach eigenen Angaben in zwei Jahren rund 12.000 Menschen vor dem Ertrinken gerettet. Ankerherz und auch Kapitän Schwandt haben Sea Eye in den vergangenen Monaten unterstützt. Zu den Hintergründen der Entscheidung unterhielten wir uns mit Hans-Peter Buschheuer, dem Sprecher der in Regensburg ansässigen Gruppe.

 

Ankerherz: Was ist der Grund für Ihre Entscheidung, die Hilfsaktionen auszusetzen?

Buschheuer // Sea Eye: Ganz klar: Sicherheitsbedenken. Es steht seit zwei Tagen die Warnung der libyschen Regierung im Raum, ihr Hoheitsgebiet auf See auf unbestimmte Größe zu erweitern, verbunden mit einer Warnung an die NGOs, dieses Gebiet zu befahren. Nachdem die libysche Küstenwache in der Vergangenheit öfters geschossen hat – nicht auf uns, aber auch andere NGO und auf Flüchtlingsschiffe – können wir wegen der Verantwortung für unsere Crews so nicht weitermachen.

Ankerherz: Was bedeutet ihre Entscheidung für die Situation der Flüchtlinge auf dem Mittelmeer? Auch die „Ärzte ohne Grenzen“ haben ihre Rettungsaktionen eingestellt.

Buschheuer: Aufgrund der schärferen Überwachung des Seeraums war es in den vergangenen Wochen ohnehin zu weniger Fluchtbewegungen gekommen, damit auch zu weniger Rettungen. Den Menschen in Not wird die letzte Fluchtmöglichkeit genommen. Wir wissen ja, dass Libyen ein „Failed State“ mit einer katastrophalen Menschenrechtssituation ist. Das ist das Bittere an dieser Geschichte.

Die Retter sind traurig, aber einverstanden

Ankerherz: Ihre Besatzungen bestehen aus Freiwilligen. Wie ist die Stimmung?

Buschheuer: „Sie haben Verständnis. Wir hatten auch besorgte Anrufe von Angehörigen, die wissen wollten, ob ihre Väter und Söhne noch sicher sind. Sie sind traurig, aber auch voll einverstanden mit dieser Maßnahme.“

Ankerherz: Vor einigen Tagen kam eines ihrer Schiffe der C-Star zu Hilfe, dem Schiff der „Identitären Bewegung“. Was passierte?

Buschheuer: „Wir waren in Sichtweite und haben Funkkontakt aufgenommen. Wir waren ja von der Seenotleitung in Rom hinbeordert worden. Unsere Hilfe wurde abgelehnt. Über den Zustand des Schiffes haben sie nichts gesagt. Die „C-Star“ hatte starken Drift, die Maschinen liefen definitiv nicht und das Schiff hatte eine ziemliche Hecklage. Es sah nicht „gesund“ aus. Aber wir wissen es nicht, denn die Identitäten verbreiten ja nur Jubelmeldungen über den Ruckzug der NGOs.“

Ankerherz: Was ist aus Ihrer Sicht die Erklärung dafür, dass Libyen nun so handelt?

Buschheuer: Die Erklärung ist relativ einfach. In drei europäischen Ländern gibt es populistische Strömungen und Wahlen – in Deutschland, Österreich Italien – und es wird versucht, diese Populisten „rechts“ zu überholen. Für die Italiener hat man noch am meisten Verständnis. Italien war sehr hilfsbereit, was die Rettung der Flüchtling angeht. Unsere Hilfsaktionen waren eine humanitäre, keine politische Aktion. Wir müssen nun sehen, wie es weitergeht und wo wir helfen können.

 

(Das Gespräch führte Stefan Kruecken // Ankerherz.)

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