Stefans Geschichten vom Meer: Posse um Schulschiff Deutschland

Peinliche Posse um Schulschiff Deutschland. In Stefans Geschichten vom Meer geht es in dieser Folge um das Geschacher um ein altes Schiff. Ein seltsamer Streit, der zeigt, wie Politikverdrossenheit entsteht.

Zum ersten Mal schrieb ich meine Kolumne über „Schulschiff Deutschland“ im letzten Sommer, nach einem nächtlichen Spaziergang im Neuen Hafen, vorbei am Leuchtturm und der „Alexander von Humboldt 2“. (Hier könnt Ihr sie lesen.) Die Idee, das Schiff aus seinem Versteck in Vegesack nach Bremerhaven zu verholen – wo es bei Tecklenborg gebaut wurde – ist nicht nur naheliegend. Sie ist eigentlich zwingend.

Ich mache mich damit vielleicht nicht überall beliebt, aber wahr ist doch: Außer leidenschaftlichen Schiffsliebhabern nimmt niemand den Weg zum Liegeplatz im Bremer Norden auf sich. Demnächst soll der Rahsegler auch noch im Schatten eines Hochhauses liegen. Der Verein, dem das Schiff gehört, schreibt auch ohne Corona-Ausreden satte Verluste und braucht eine neue Generation Ehrenamtler, die sich kümmert.

Angebot für „Schulschiff Deutschland“

Bremerhaven wiederum hat ein Angebot mit Goldpapier eingewickelt und Schleifchen verziert: den schönsten Liegeplatz, mitten in der Stadt. Perspektiven für die touristische Nutzung, verbindliche Zusagen von Oberbürgermeister Melf Grantz über die Gestaltung des Liegeplatzes. Ein Fan sammelt unterdessen schon tausende Spenden-Euro. Mehr kann eine Stadt einfach nicht anbieten.

 

Wie sich der Verein des „Segelschulschiffs Deutschland“ verhält, grenzt inzwischen an einen Affront. Es erinnert in seiner Peinlichkeit an die traurige Seifenoper um die „Seute Deern“. Viele Vereinsmitglieder scheinen für den Umzug zu sein, doch die Vereinsführung bewegt sich nicht. Ist das demokratisch? Ist das transparent? Nein, aber es geht ja auch um Belange zwischen Bremerhaven und Bremen.

Subventions-Paradies Bremen

Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) spricht in Interviews immer wieder von „erheblichen Problemen“ und einem „drohenden Streit“ zwischen den Schwesterstädten. Als Steuerzahler habe ich erhebliche Probleme mit einem Bürgermeister, dessen Konzept vor allem im Verteilen von Subventionen zu liegen scheint.

Denn ohne hohe Summen an Fördermitteln hat „Schulschiff Deutschland“ in Bremen-Nord keine Zukunft, das ist jedem klar. Im Herzen von Bremerhaven wäre dies ganz anders, alleine schon wegen der Sichtbarkeit. Nun mag der Gedanke, aus eigener Kraft Geld zu verdienen,  für einen Bürgermeister im Biotop Bremen verstörend klingen.

Doch die Frage ist: Wie will man Wählern eigentlich erklären, dass Millionen in den Neubau eines Schiffes investiert werden sollen, während ein paar Kilometer Weser weiter hunderttausende Euro im Versteck eines alten Schiffes versenkt werden? Und wieso sollte eigentlich ein Verein, der die eigene Zukunftsfähigkeit so fahrlässig runterspült, künftig aus Steuergeld unterstützt werden?

Versteht das ein Bürger? Ein Wähler?

Die gerne beklagte „Politikverdrossenheit“ ist nicht nur ein Wort. Sie entwickelt sich aus genau solchen Vorgängen. Einfache Dinge werden kompliziert, und niemand versteht, wieso eigentlich. Wenn es nicht mehr um Logik im Interesse der Allgemeinheit geht, sondern um Befindlichkeiten weniger Personen, dann wird es schwierig. Nach der Corona-Pandemie aber werden die Subventionsmittel, die man in Bremen so gerne verteilt, überschaubar sein.

Vielleicht sollte Bremerhaven das Angebot zurückziehen. Der Liegeplatz im Neuen Hafen ist besonders – warum schreibt man nicht einen mit Preisgeld dotierten Wettbewerb für Traditionsschiffe in ganz Europa aus? Der Gewinner darf für eine bestimmte Zeit dort liegen, sich präsentieren und zu Törns in die Nordsee losmachen. Betreiber von Traditionsschiffen haben es extrem schwer, nicht nur wegen Corona.

Für Alle wäre ein solches Angebot ein Gewinn. Die Bürger Bremerhavens bekämen ständig neue „Hingucker“. Touristen einen weiteren3 Grund, in die Stadt zu reisen: Eine permanente „Lütte lütte Sail“. Vermutlich wird die Idee genau daran scheitern.

Sie kostet wenig Steuergeld.

 

Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründeten Ankerherz Verlag. Vorher war er Polizeireporter für die Chicago Tribune und arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie max, Stern und GQ von Uganda bis Grönland. Vor kurzem erschien sein neues Buch „Helden der See“.

 

 

0 comments