Der Wirtschaftskrimi um den Hamburger Hafen – einfach erklärt
Um den Hamburger Hafen gibt es einen echten Wirtschaftskrimi. Der Hamburger Senat verkündete am Mittwoch bei einer überraschend einberufenen Pressekonferenz vor Börsenstart, dass die Reederei MSC 49,9 Prozent am wichtigsten Hamburger Hafenkonzern übernehmen wird. Was auch auf Widerstand und Kritik stößt. Die Lage scheint kompliziert – wir geben Antworten.
Wieso kam es zum Deal mit der Reederei MSC?
Der Hamburger Senat suchte einen finanzstarken Partner, um den Abwärtstrend der HHLA zu stoppen. Zuletzt war der Hamburger Hafen stark in die Kritik geraten. Zu langsam (laut Weltbank einer der langsamsten Häfen der Welt), zu teuer, angeblich zu wenig konkurrenzfähig im Vergleich mit mit den Konkurrenten Rotterdam und Antwerpen.
Naheliegend ist der Gedanke, dass die Hamburger Traditionsreederei Hapag-Lloyd einsteigt. An ihr hält die Stadt Hamburg 13,9%. Die Reederei verzeichnete in der Pandemie dank hoher Frachtraten Milliardengewinne, von denen auch Hamburg stark profitierte. Doch für Hapag-Lloyd war, wie zu hören ist, nur eine Mehrheitsbeteiligung an der HHLA interessant. Ebenso wie für den Logistikunternehmer Klaus-Michael Kühne, einen der reichsten Deutschen und Großaktionär bei Hapag-Lloyd.
Dem Konkurrenten MSC genügt eine Minderheitsbeteiligung. Diese wurde vom Senat nun in einer Geheimmission über Monate vorbereitet. Geheim deshalb, weil sonst zu befürchten war, dass Gerüchte den Börsenkurs in diesem Wirtschaftskrimi anheizen und Deal gefährden könnten.
Was sind nun die Streitpunkte?
Konzernchef Kühne hatte noch vor wenigen Tagen deutliche Kritik am Management der HHLA geäußert und im Hamburger Abendblatt ein Übernahmeangebot unterbreitet. Dies wurde von Politikern der aktuellen Regierungskoalition brüsk zurückgewiesen. Grünen-Hafenexpertin Miriam Putz etwa erklärte, der Hafen sei „kein Selbstbedienungsladen für Milliardäre“.
Kühne reagierte entsprechend empört, als die MSC-Pläne bekannt wurden. Er forderte Hapag-Lloyd auf, als Hamburger Reederei nun ein Gegenangebot vorzulegen. Andernfalls, so deutete er an, werde dies seine eigene Holding tun. Wer den Unternehmer Kühne kennt, der weiß: Er will nicht bloß spielen.
MSC ist einer der schärfsten Konkurrenten von Hapag-Lloyd. Als Holding-Mitglied hat MSC künftig auch ein Mitspracherecht am Containerterminal Altenwerder. Daran hält Hapag-Lloyd 25 Prozent – was reichlich Stoff für Konflikte geben dürfte.
Verlagert Hapag-Lloyd nun Schiffe und Liniendienste von Hamburg in andere Häfen? Abwegig erscheint der Gedanke nicht. Vor Kurzem übernahm der Konzern das Containerterminal in Wilhelmshaven.
Wirtschaftskrimi Hafen – wie reagieren die Gewerkschaften?
In einer ersten Stellungnahme wehrt sich Ver.di gegen den Verkauf. Noch ist nicht klar, wie die gewerkschaftlich gut organisierten HHLA-Beschäftigten auf den Deal reagieren. Sie haben schon einmal einen Mehrheitsverkauf der HHLA durch die Androhung massiver Streiks verhindert.
Wer ist eigentlich MSC?
Die Reederei wurde 1970 vom italienischen Kapitän Gianluigi Aponte gegründet. Was mit einem gebrauchten Frachter begann, ist heute ein Gigant der Seefahrt. Laut dem jüngsten Report des Branchendienstes Alphaliner fahren 730 Container- und 19 Kreuzfahrtschiffe für MSC. Das Unternehmen hat einen Weltmarktanteil von fast 20%. Alleine die Kapazitäten der neu in Auftrag gegebenen Schiffe umfassen das, was für Hapag-Lloyd insgesamt über die Meere fährt.
Der Konzern wird trotz einer Größe von weltweit 150.000 Mitarbeitern immer noch wie eine Art Familienunternehmen geführt. Verschwiegen, beinahe zugeknöpft. Als der 49jährige Däne Sören Toft vor zwei Jahren als Chef der MSC der Transport- und Logistikbranche einstieg, war er das erste Nicht-Familienmitglied in der obersten Führungsetage. Das das Unternehmen mit Sitz in Genf veröffentlicht keine Umsatzzahlen. Patriarch Aponte (82) ist einer der reichsten Männer der Welt.
Was verspricht MSC?
MSC hat zugesagt, sein Ladungsaufkommen in Hamburg von 2025 an deutlich erhöhen. Von 2031 an sollen es mindestens eine Million Standardcontainer pro Jahr sein. In der Hafencity soll überdies eine neue Deutschlandzentrale eingerichtet werden. Auch die Kreuzfahrtsparte MSC Cruises soll in Hamburg einen neuen Heimathafen bekommen. Mit zusätzlich 700 Arbeitsplätzen werde sich dabei die Mitarbeiterzahl in Hamburg mehr als verdoppeln, hieß es.
Welche Kritik gibt es an MSC?
Der Ruf von MSC in der Schifffahrtsbranche ist bei allem Respekt vor der unternehmerischen Leistung nicht unumstritten. Meldungen über Schiffsunfälle (z.B. MSC Zoe, MSC Shristi, MSC Rachele) häuften sich ebenso wie Berichte über unsaubere Verschrottungspraktiken. US-amerikanische Behörden drohen mit einer Rekordstrafe von 700 Millionen US-Dollar gegen die Reederei – wegen Kokainschmuggels.
Die Drogenmafia soll die Reederei angeblich infiltriert haben, um die Schiffe zu nutzen. Auf einem Schiff alleine entdeckten Drogenfahnder Kokain im Wert von 1,2 Milliarden US-Dollar. Der Verdacht liegt nahe, dass es eine Organisation braucht, um diese Mengen an Bord zu bekommen. Einen Vorwurf, den MSC vehement zurückweist.
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